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 Kurland während des Kosciuszko-Aufstandes 1794
- ein Beitrag zur Geschichte der Familie Becker

Die folgenden Ausführungen sollen zum besseren Verständnis des > Dokuments dienen, das über die Beteiligung des Libauer Kaufmanns > Johann Christian Heinrich Becker in Kurland am Kosciuszko-Aufstand 1794 berichtet. Es war das letzte Jahr, in welcher sich Kurland noch als Lehens- Herzogtum unter polnischer Oberherrschaft befand. Bereits ein Jahr später (1795) wurde Kurland im Rahmen der dritten Teilung Polens dem Russischen Reich als Gouvernement angegliedert.

Kurland und die Teilungen Polens

Ausschnitt aus F. W. Putzgers Historischer Schulatlas, 35. Auflage, Bielefeld und Leipzig 1911, Karte 25, bearb. von Herbert Becker .

Nach der zweiten Teilung Polens (1793) kam es (1794) zu Aufständen in Warschau und in der polnisch-litauischen Stadt Wilna. Hieraus wurde eine allgemeine Volkserhebung, an deren Spitze der polnische General Thaddäus Kosciuszko (1746-1817) stand, welcher seitdem in Polen als Nationalheld gilt. Diese revolutionären Unruhen griffen dann auch auf das benachbarte Kurland über. Über die “Konförderierten”, wie die Aufständischen nach der Konförderation von Targowize genannt wurden, schrieb der baltische Historiker August Seraphim in seiner “Geschichte des Herzogtums Kurland (1561-1795)”, 2. Auflage, Reval 1904, S. 343 f.:

“ Im März 1794 erhoben sich die polnischen Patrioten unter Leitung Thaddaeus Kosciuszkos gegen Rußland und Preußen und auch in Litauen flammte der Aufstand auf. Von hier aus flutete er nach Kurland hinüber. Eine Abteilung Konföderierter, die den in Litauen ansässigen ehemaligen preußischen Leutnant Mirbach gegen seinen Willen zum Generalinspektor gemacht hatten, rückte am 23. Mai in Libau, dessen Magistrat kapitulieren mußte, ein, nahmen den ganzen Pulvervorrat, etwa 2000 Gewehre u. s. w. mit sich und zogen wieder ab.

Der Herzog erhielt in dieser Zeit vom Generalgouverneur Pahlen durch die Vermittelung des Oberstallmeisters Baron Heyking den Rat, persönlich im geheimen an die Kaiserin zu schreiben und das Land ihrem Schutze zu empfehlen. Er befolgte ihn und erhielt eine zustimmende Antwort. Nun erließ Herzog Peter noch ein Patent (am 30. Mai) ´gegen die neuen Lehren von Freiheit und Gleich- heit`, mit denen die Konföderierten die Bauern zu gewinnen suchten und berief zum 30. Juni einen außerordentlichen Landtag.

Wie vorauszusehen, unterstellte dieser das Land der Protektion Rußlands bis zur Beendigung der polnischen Wirren. Ein russisches Heer unter dem Fürsten Galizin rückte bis in die Nähe Bauskes und bezog hier eine feste Stellung, während die Konföderierten ihre Versuche aus Libau erneuerten. Am 25. Juni nahmen sie den Ort wieder ein, ließen die Einwohner der Konföderation den Treueid leisten und verlangten ihn auch von den Gutsbesitzern. Mirbach erließ nun am 27. Juni eine Erklärung über den Beitritt des Herzogtums Kurland zur Konföderation und am Tage daraus eine Publikation an die Bauern, in der er ihnen Freiheit und Eigentumsrecht an ihren Gesinden zusicherte.

Das Landvolk, dem für die politischen Fragen natürlich jedes Verständnis fehlte, ließ sich durch solche Versprechungen gern gewinnen. Die Bauern bewaffneten sich in mehreren Gegenden, widersetzten sich ihren Herren, versagten den Gehorsam und verübten besonders im goldingenschen und grobinschen Kreise namentlich durch das Anzünden der Wälder nicht wenige Exzesse. Die Edelleute gerieten dadurch in große Bedrängnis und diese steigerte sich, als ihnen befohlen wurde, spätestens bis zum 14. Juli sich in Libau zur Eidesleistung zu stellen oder der Konfiskation ihrer Besitzungen gewärtig zu sein. Auch große Proviantlieferungen und die Stellung von Rekruten wurden von ihnen verlangt und letztere auch den Städten auferlegt.

Goldingen und Hasenpoth leisteten den Treueid, Windau entzog sich ihm, da der Feind eigentlich nur in der Umgegend Libaus eine stärkere Position besaß. Gegen diese unternahm der russische Oberstleutnant Kasalinow mit 1100 Mann, zu denen noch 200 Mann herzoglicher Soldaten kamen, von Bauske aus einen Vorstoß. Die Polen räumten nun Libau, wo am 12. Juli die Russen ein- ziehen konnten.

Nach einem zweitägigen Treffen bei Gawesen (am 24. und 25. Juli), in dem Kasalinow verwundet wurde, wurden sie allerdings von den herandringenden Polen besiegt, mußten Libau, das sie noch beim Abzug mit Granaten beschossen, verlassen und sich auf Mitau zurückziehen. So waren die Konföderierten zum drittenmal Herren der Stadt Libau und rückten dann auf der Mitauer Straße bis nach Frauenburg vor; dann aber zogen sie, teils von Galizin gedrängt, teils um bei der Wieder- eroberung Wilnas mitzuwirken, nach Süden ab, am 11. August war Kurland von ihnen geräumt.

Nun erfolgte eine allgemeine Entwaffnung der Bauern, die wieder zu den alten Zuständen zurückgeführt wurden; die materielle Schädigung des Landes war aber um so größer, als ein Getreideausfuhrverbot, das Rußland verlangt hatte, dem Absatz der Landesprodukte ein unübersteig- bares Hindernis in den Weg legte.

Noch im Spätherbst des Jahres 1794 war der polnische Aufstand niedergeschlagen worden und Suworow am 8. November in Warschau eingezogen. Polens Tage waren gezählt und man mußte in Kurland zur Frage Stellung nehmen, was aus dem Lande werden solle, da die Existenz der Ober- lehnsherrschaft so offensichtlich ihrem Ende entgegen ging.”
                                                                                                                                                   hb

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